WO EIN MAULWURF, DA EIN REGENWURM

BUNDESWEIT EINMALIGES PROJEKT ZUM LEBENDIGEN WALDBODEN ENDET

(Berlin/Landsberg am Lech) Es ist gesellschaftlicher Konsens, dass unsere Wälder nicht gedüngt und nicht bewässert und der Waldboden nicht gepflügt wird. Wald gilt als idealer Stoffkreislauf, in dem es keinen Abfall gibt. Dies trifft bei genauerem Hinsehen allerdings nur bedingt zu, da in reinen Nadelwäldern der Nährstoffkreislauf oft beeinträchtigt ist, Bodenversauerung und Nährstoffauswaschung sind nicht selten.

 

Den daher notwendigen Umbau zu laubbaumreichen Mischwäldern hat ein bundesweit einmaliges Projekt im Landkreis Landsberg am Lech mit besonderem Blick auf die Lebensgemeinschaften im Waldboden betrachtet. Das LIFE Future Forest-Projekt untersuchte fast vier Jahre lang den Einfluss verschiedener Laubbaumarten auf die Zahl der Regenwürmer und die Menge der Baumwurzeln im Boden. „Das Projekt zeigt, dass aktiv die Bodenqualität und die Wasseraufnahmefähigkeit durch eine Aktivierung des Bodenlebens gefördert werden kann“, fasst Ulrich Dohle vom Bund Deutscher Forstleute (BDF) zusammen. „Wenn Regenwürmer das richtige „Futter“ in Form leicht zersetzbarer Blätter wie etwa von Erle, Ahorn oder Hainbuche bekommen, dann kommt das Bodenleben richtig in Schwung.“ Gleiches gilt für die Feinwurzeln der Bäume, die ähnlich recycelt werden und, wie das Projekt mit Hilfe von Studenten der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) feststellte, bei Laubbäumen fünfzig bis achtzig Prozent mehr betragen als bei der bisher stark verbreiteten Fichte.

 

„Wenn man beim Bodenleben sozusagen den „Turbo“ einlegen kann und es damit mehr Nährstoffe und mehr Wasser im System gibt, hätten wir einen weiteren Baustein für bessere Resilienz und mehr Wasserrückhaltung unserer Wälder“, gibt sich BDF-Bundesvorsitzender Ulrich Dohle überzeugt. „Wir sehen als BDF bundesweiten Forschungsbedarf, wie Waldböden durch Laubmischwälder und mit welchen Baumarten unter den sehr verschiedenen Gegebenheiten verbessert werden können.“  Das Pflügen, Düngen und Bewässern übernehmen dann mit Unterstützung unzähliger weiterer Bodenlebewesen die deutschlandweit gut vierzig Regenwurmarten.

 

Das Projekt ist noch einen praktischen Schritt weiter gegangen und hat ein Prämiensystem entwickelt, welches den nachhaltigen Waldumbau durch private Waldbesitzer in vier Stufen mit einem Ausgleich von bis zu 400 Euro je Jahr und Hektar honoriert. Da ein verbesserter Waldboden mehr Wasser speichert und zugleich reinigt, schlagen die Akteure eine ähnlich aufgebaute Trinkwasserprämie für Waldbesitzer in Wasserschutzgebieten vor. Eine eigene Handy-App ermöglicht eine einfache Einwertung des jeweiligen Waldgebietes. Geldgeber sind bislang Kommunen und private Sponsoren.

 

„Innerhalb der stockenden Diskussion um die Inwertsetzung der Gemeinwohlleistungen von Wald, kommt hier ein gut untermauertes Modell, auf das man mit etwas gutem Willen vielerorts aufbauen kann. Eben ein gutes Fundament für einen tragfähigen Zukunftswald“, lobt der BDF-Vorsitzende Ulrich Dohle.

 


Hintergrundinformation

 

Boden des Jahres

 

  • Die Waldböden sind als „Boden des Jahres 2024“ benannt worden, vorgeschlagen vom Thünen- Institut für Waldökosystem in Eberswalde.
  • In einem Interview mit der Zeitschrift proWald, Mai 2024 fordert Prof. Dr. Feger, Vorstandsmitglied der Dt. Bodenkundlichen Gesellschaft (DBG) „Dass der Boden als Produktionsgrundlage und Naturkörper in seiner standörtlichen Vielfalt und seinem Potenzial stets mitbedacht wird. …“ Dabei weist sieht er die Böden und ihre Lebewesen für die Daseinsvorsorge in einer zentralen Rolle. „Denn der Boden ist ja integraler Bestandteil jedes Ökosystems. Der „unterirdische Wald“ umfasst dabei nicht nur die Wurzeln, sondern ist Lebensraum für eine Vielfalt von Organismen, die als Zersetzer den Stoffkreislauf, aber auch die Energieflüsse wesentlich mitbestimmen.

 

Bodenzustandserhebung ohne Bodenleben

  • In der bundesweiten Bodenzustandserhebung (BZE II) des Thünen-Institutes für die Jahr 2006 bis 2008 findet eine Erfassung und Bewertung der vorgenannten Bodenorganismen nicht statt. In den Untersuchungen finden die Lebewesen unterhalb der Bodenvegetation, also im Boden, keine Berücksichtigung. (Quelle: Dynamik und räumliche Muster forstlicher Standorte in Deutschland – Ergebnisse der Bodenzustandserhebung im Wald 2006 bis 2008; Thünen-Report 43)

 

Lebendiger Waldboden im Future LIFE Forest-Projekt

 

  • Das LIFE Future Forst hat dagegen die Verbesserung aller Leistungen von Wäldern (sog. Ökosystemleistungen) ausgehend vom optimalen Zusammenspiel der Bodenlebewesen, also dem lebendigen Waldboden, untersucht.
  • Im Rahmen verschiedener Voruntersuchungen stieß der Mitinitiator des Projektes und pensionierte Revierförster Ludwig Pertl auf die Bedeutung eines lebendigen Waldbodens für den Wald darüber.
  • Seit fünfzehn Jahren untersuchen und vergleichen Forststudenten und Studentinnen der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) im Projektgebiet die Leistungen von Wäldern und Bäumen. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Untersuchung der Regenwurmpopulation und des Wurzelvolumens in den Waldböden.
  • So fanden die Studierenden in einer Untersuchung im Jahr 2021 unter Fichte lediglich neun Regenwürmer je Quadratmeter, während unter Laubbäumen deutlich mehr Regenwürmer eine höhere Bodenaktivität anzeigten. Unter Bergahorn zählten sie 249 Würmer je Quadratmeter.
  • Auf einem anderen Standort wurde im selben Jahr die Feinwurzelmenge verschiedener Baumarten untersucht. Je nach Bodenschicht bildeten Buche und Ahorn bis zum dreifachen der Feinwurzelmenge von Fichte aus. Dies korrespondierte mit einer doppelt so hohen jährlichen Biomasseleistung von Laubbäumen gegenüber der Fichte.
  • Mit der erhöhten Aktivität der Bodenlebewesen verbessert sich die Humusform (sogenannter Mull-Oberboden), die Durchmischung des Bodens mit den recycelten Nährstoffen steigt genauso wie die Porenstruktur des Bodens durch die erhöhte Aktivität vor allem der Regenwürmer.
  • Verstärkte Kohlenstoffeinlagerung, verstärktes Wachstum bzw. verbessertes Nährstoffangebot und erhöhte Wasserspeicherkapazität sind die positiven Folgen, so die Ergebnisse des Projektes.
  • Für die Unterstützung beim Waldumbau zu mehr Laubbäumen, die weniger ertragreich sind, als reine Fichtenwälder, hat das Projekt eine „Zukunftswaldprämie“ entwickelt, die in vier Stufen bis zu 400 Euro/Hektar und Jahr an den privaten Waldbesitzer zahlt, der sich auf den Weg des Waldumbaues macht. Die Prämie soll sich aus einem Fonds finanzieren, in den Gemeinden, Firmen und Privatleute freiwillig einzahlen.
  • Eine ähnlich aufgebaute Trinkwasserprämie wurde für Wald in Trinkwassergebieten entwickelt. Diese honoriert die die höhere Grundwasserbildung und die geringere Schadstoffbelastung unter Laubwald und könnte durch einen geringen Preisaufschlag über das Trinkwasser finanziert werden.
  • Die Einwertung der Waldgebiete erfolgt über eine einfache Erfassung der Parameter mittels einer kostenlosen Handy-App, die im Projekt entwickelt wurde.
  • Die Ergebnisse des Projektes wurden jetzt in einem 64-seitigen Handbuch und einer kurzen Praxisversion (26 Seiten) veröffentlicht:

https://www.klimaschutz-landkreis-landsberg.de/eu-life-future-forest/handbuch-fuer-nachhaltigen-waldumbau/

 

Der Waldboden lebt

  • Hier beschreibt die Schweizer Waldforschungsanstalt (WSL) die Abläufe im Waldboden

https://www.waldwissen.net/de/lebensraum-wald/waldboden/der-waldboden-lebt

 

 

Regenwurm-Info