Wilderei bedroht Luchsvorkommen in Ostbayern

Nachtaufnahme einer Fotofalle im Nationalpark Bayerischer Wald - im Bild der Luchs "Milan" (Foto: NP Bayerischer Wald)

Europas größte Raubkatze ist wieder im deutsch-tschechischen Grenzgebiet beheimatet. Allerdings leben die Luchse fast ausschließlich in den zwei benachbarten Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava (Tschechien). In den 1970er und 1980er Jahren wurden dort etwa 25 Luchse ausgesetzt. Der Luchsbestand wuchs auf derzeit etwa 50 Tiere. Wissenschaftler haben untersucht, warum sich die Tiere nicht in anderen Regionen ansiedeln. Ihr Fazit: Offenbar verhindern illegale Abschüsse die weitere Ausbreitung der geschützten Art. Ihre Studie stellten die Forscher kürzlich im Fachmagazin Biological Conservation vor. 

In der aktuellen Studie, an denen neben der TUM auch die Universität Zürich und das Bayerische Landesamt für Umwelt beteiligt waren, suchten die Wissenschaftler nach der Ursache für die schleppende Ausbreitung der Luchse. Dabei stellten sie fest, dass sich die Tiere selten mehr als 70 Kilometer vom Zentrum der beiden Parks wegbewegen; je weiter eine Gemeinde vom Nationalpark entfernt war, umso seltener wurden die Luchsnachweise.

In anderen Gebieten, zum Beispiel in Skandinavien, wandern insbesondere männliche Tiere deutlich weiter - im Schnitt etwa 150 Kilometer. In ihrer Studie zeichneten die Wissenschaftler Luchsnachweise in 530 ostbayerischen Gemeinden rund um den Nationalpark auf. Das Ergebnis überraschte: Siedlungen und Straßenverkehr schienen den nachtaktiven Luchs nicht zu stören. Das Nahrungsangebot war gut, teilweise gab es im Umland mehr Rehe als Nahrungsquelle als in den Parks. Das Territorium bietet den Raubkatzen ideale Lebensbedingungen. Der Grund für ihre geringe Verbreitung liegt daher wohl in illegalen Abschüssen. Wilderei lässt sich selten nachweisen. Allerdings verschwinden immer wieder dokumentierte Jungtiere; 2012 und 2013 wurde ein Luchs vergiftet und ein trächtiges Weibchen erschossen aufgefunden. Zudem kann Müller auf Daten aus Tschechien zurückgreifen: Dort verjähren Wilderei-Vergehen nach nur einem Jahr, illegale Abschüsse werden daher häufig nachgemeldet. "Seit der Ansiedlung der Luchse haben die Behörden von 62 Tötungen erfahren - die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher", sagt Dr. Müller vom Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie an der Technischen Universität München (TUM). 

Bei diesem Muster haben Luchse kaum eine Chance sich mit anderen Gruppen im Harz, in den Vogesen, Karpaten oder Alpen zu vermischen. Dafür, so Müller, müssten die Luchse gleichzeitig in mehreren Regionen Mitteleuropas freigesetzt werden - möglichst in waldreichen Gebieten mit hoher Rehwilddichte. "Nur so kann Europas drittgrößtes Raubtier langfristig überleben", bringt es Müller auf den Punkt.

 
Publikation:
Protected areas shape the spatial distribution of a European lynx population more than 20 years after reintroduction, Jörg Müller, Manfred Wölfl, Sybille Wölfl, Dennis W.H. Müller, Torsten Hothorn, Marco Heurich, Biological Conservation 177 (2014) 210–217