Waldwege – ein ökologischer Glücksfall

Ameisenhaufen finden sich häufiger an Forstwegen. Der Völkerstaat braucht schon im Frühjahr viel Licht und Wärme, weshalb die Tiere das unterbrochene Kronendach entlang der Forstwege nutzen. Foto: Dr. Horst Sproßmann

Rund 5.000 Kilometer umfasst das Forstwegenetz der ThüringenForst-AöR, mit 200.000 Hektar flächengrößter Waldeigentümer im Freistaat. Zur Unterhaltung, Instandsetzung und den Neu- u. Ausbau sowie der Laufendhaltung der digitalen Wegedaten dieses Netzes gibt die Landesforstanstalt pro Jahr etwa acht bis neun Millionen Euro aus. Neben der primär waldwirtschaftlichen Funktion nutzen auch Wanderer, Reiter, Kutsch-, Rad- und Skifahrer diese Infrastruktur zur Erholung oder Sportausübung. Das Thüringens Forstwege aber auch eine herausragende ökologische Funktion haben und unmittelbar zur biologischen Vielfalt im Wald beitragen, ist bei den Wegenutzern vielfach weitgehend unbekannt.

Forstwege werden ausschließlich mit Naturstoffen gebaut
„Der Forstwegebau, ausschließlich mit örtlichen Naturstoffen und ohne Flächenversiegelung sowie ohne chemische Bindemittel, ist Grundlage für seine positiven ökologischen Wirkungen“, so Volker Gebhardt, ThüringenForst-Vorstand. Das Öko-Forstwegenetz ist Teil einer naturnahen Forstwirtschaft, die durch weitgehenden Verzicht auf Kahlschläge, Düngereinsatz und Pflanzenschutzmittel gekennzeichnet ist und zu der sich ThüringenForst ausdrücklich bekennt. Werden Forstwege im Rahmen von Holzerntemaßnahmen in Mitleidenschaft gezogen, erfolgt, soweit eine geeignete Witterung herrscht, umgehend eine Instandsetzung. Mit dem Öko-Forstwegenetz wird damit ein vorbildlicher Trink- und Hochwasserschutz im Wald gewährleistet. Das Forstwegenetz außerhalb stillgelegter Waldflächen, das mit sog. Rückegassen verfeinert wird,  stellt außerdem sicher, dass mindestens 85 % der Waldböden der Landesforstanstalt, also über 170.000 von 200.000 Hektar, überhaupt nicht mit Forstmaschinen befahren werden.

Bestimmte Tier- und Pflanzenarten brauchen mehr Licht, Wärme und Wasser
Wegetrassen, insbesondere aber Wegeränder bieten durch die linienartige Öffnung des Kronendaches ein mehr an Licht, Wärme und bessere Wasserversorgung, was die Wuchsbedingungen für bestimmte Arten verbessert. Dies kommt auf basenreichen Standorten speziell Waldorchideen zu Gute, auf basenarmen Standorten verschiedenen seltenen Farnen. Wegetrassen an den Südhängen der Thüringer Mittelgebirge zeigen an den trockenen, oft ausgehagerten Böschungen wärmeliebende Saumgesellschaften bis hin zu Heidevegetation. Solche Biotope sind vielfach auch Nahrungs- und Fortpflanzungsstätten geschützter Tierarten wie Wildbiene, Waldeidechse oder Schlingnatter. In den Rinnen am Rand der Wege, wo eine bessere Nährstoff- und Wasserversorgung gegeben ist, können sich Wasserdost, Wald-Engelwurz oder verschiedene Distelarten einfinden. Diese wiederum sind Anziehungspunkt für Schmetterlinge, Schwebfliegen, Bockkäfer oder andere Insektenarten. Da Wegetrassen wie Waldinnenränder wirken, bilden sie nicht nur Lebensraum, sondern oft auch Wanderkorridor, etwa für Fledermäuse und Falter.

Forstwege sind multifunktionelle Wunderwerke

Die Multifunktionalität von Forstwegen, so wie die Landesforstanstalt sie anstrebt, setzt ein notwendiges Verständnis der technisch-ökologischen Zusammenhänge bei all jenen voraus, die sie nutzen. Hier sieht Gebhardt noch Aufklärungsbedarf für die nächsten Jahre. Denn sollte die Umsetzung des Prinzips der Multifunktionalität der Forstwege an den speziellen Ansprüchen einzelner Nutzergruppen scheitern, so verliert zum einen die Natur, zum anderen würde das bisherige Modell einer kostenfreien Nutzung der Waldwegeinfrastruktur im Thüringer Staatswald in Frage gestellt werden.  

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