Unordnung im Staatswald — Totholz für den Biotop- und Artenschutz

Max Reger, Vorstandsvorsitzender von ForstBW: „Der Wald ist manchmal etwas unordentlich – und das ist auch gut so. Tote Bäume und Äste bieten vielen Tieren, Pflanzen und Pilzen einen Lebensraum. Aber zu viel Totholz kann auch gefährlich für Mensch und Umwelt sein.“

Energiekrise. Gas, Öl, Strom — alles wird teuer. Brennholz ist an vielen Stellen bereits ausverkauft. Und doch stehen und liegen in den Staatswäldern in Baden-Württemberg viele abgestorbene Bäume und Äste. „Immer häufiger werden unsere Revierleiterinnen und Revierleiter gefragt, warum man dieses Holz nicht der Bevölkerung zum Heizen zur Verfügung stellt“, weiß Max Reger. „Wir denken aber auch an den Naturschutz. Der Hirschkäfer, der Dreizehenspecht und etliche weitere Tier-, Pflanzen-, und Pilzarten sind auf das sogenannte Totholz angewiesen.“

Mit dem bereits im Jahr 2010 eingeführten Alt- und Totholzkonzept hat sich ForstBW zum Ziel gesetzt, überall in den Staatswäldern spezielle Lebensräume zu schaffen und diese erhalten. Dazu gehören neben so genannten Waldrefugien vor allem so genannte Habitatbaumgruppen. Ergänzt wird dieses Konzept mit über 100 Bannwäldern, die komplett sich selbst überlassen werden. „Es ist besonders wichtig, dass wir diese unterschiedlichen

 

Alt- und Totholzkonzept

Um den Waldnaturschutz in die bewirtschafteten Waldbestände zu integrieren, setzt ForstBW seit 2010 auf das Alt- und Totholzkonzept.

Dieses basiert auf 3 Säulen.

•Waldrefugien: dauerhaft bestehende größere Waldflächen (im Durchschnitt 1-3 Hektar groß), die ihrer natürlichen Entwicklung überlassen werden.

• Habitatbaumgruppen: mehrere benachbarte Bäume, die bereits als Lebensraum und Nahrungsquelle für verschiedene Arten dienen. Diese werden ebenfalls bis zum Verfall aus der forstwirtschaftlichen Nutzung genommen.

• Einzelbäume: Individuen, die durch besondere Strukturen, oder eine außergewöhnliche Lage wertvolle Lebensräume anbieten.

 

Biotope im Wald landesweit vernetzen. Wir bieten den Arten damit Trittsteine an, die sie auf ihrer Wanderung zwischen den Lebensräumen nutzen können.

 

Nährstoffe zurück in den Waldboden bringen

Doch nicht nur für bewegliche Arten ist es wichtig, genug verrottendes Holz im Wald zu lassen. „Viele der Älteren erinnern sich vielleicht noch, dass der Wald früher viel aufgeräumter aussah“, beschreibt Max Reger. „In der Nachkriegszeit wurde jedes Stückchen Holz und jeder Zweig gesammelt und genutzt. Allerdings leiden gerade dort die Wälder darunter, wo die Böden ohnehin wenig Nährstoffe bieten.“ Wenn auf solchen Böden die Reste von Bäumen und Sträuchern aus dem Wald entfernt werden, verarmt der Boden weiter und bietet für viele Baumarten nicht mehr genügend Nährstoffe.

Die Folge: In solchen Fällen können sich einseitige Waldbestände entwickeln, in denen zum Beispiel nur eine oder zwei Baumarten vorkommen. „Gerade mit Blick auf den Klimawandel ist eine stärkere Baumartenmischung enorm wichtig. Nur so können wir sicherstellen, dass auch unter extremeren Klimabedingungen der Wald als Ganzes überleben kann“, erklärt der Vorstandsvorsitzende. Deshalb gilt bei der Bewirtschaftung die Vorgabe: Jeder Ast und jede Baumkrone, die weniger als 7 Zentimeter dick ist, muss im Wald bleiben und darf nicht entfernt werden. Damit stellt ForstBW auch sicher, dass ein Teil der im Holz, den Nadeln und Blättern gespeicherten Nährstoffe wieder zurück in den Kreislauf gelangt.

 

Tote Bäume und Äste sind eine Gefahr

Doch Totholz hat nicht nur Vorteile. „Für unsere Forstwirtinnen und Forstwirte bedeuten abgestorbene Bäume und Äste eine große Gefahr. Selbst wenn man einen gesunden Baum fällt, streift dieser in manchen Fällen in den benachbarten Baumkronen tote Äste, die dann zu gefährlichen Situationen für die Personen am Boden werden. Deshalb legen wir bei Baumfällarbeiten allergrößten Wert darauf, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen“, so Max Reger.

Dafür kommen unter anderem technische Entwicklungen, wie ferngesteuerte Fällkeile und Traktoren mit Seilwinde zum Einsatz, die es den beteiligten Personen erlauben, im Moment des Fällens in sicherer Entfernung zum Baum zu stehen.

Auch für Waldbesuchende kann ein abgestorbener Baum gefährlich sein. Totholz gehört zu den waldtypischen Gefahren, mit denen man im Wald immer rechnen muss. Gerade entlang von Wegen achtet ForstBW aber darauf, dass sogenannten Megagefahren (Äste und Bäume, die akut drohen, auf den Weg zu fallen), möglichst beseitigt werden.

Es ist aber auch keine Lösung, einfach alle Bäume im Wald sich selbst zu überlassen und damit für viel mehr Totholz zu sorgen. Max Reger: „Wenn die abgestorbenen Bäume im Wald verrotten, entweicht der darin gespeicherte Kohlenstoff langfristig wieder als CO2 in die Umgebung. Damit würden unsere Wälder auf lange Sicht ihre Funktion als Kohlenstoffsenke verlieren.“ Zudem bietet trockenes, abgestorbenes Holz den immer häufiger auftretenden Waldbränden Nahrung.

„Gerade beim Totholz gilt es deshalb, einen guten Kompromiss zu finden, aus Artenschutz und Sicherheit einerseits, und aus Nährstoffhaushalt und Klimaschutz anderseits. Dieser

Aufgabe stellen sich unsere Expertinnen und Experten jeden Tag. Mit dem Alt- und Totholzkonzept hat ForstBW einen hervorragenden Ansatz gefunden, um all diesen Anforderungen möglichst umfassend gerecht zu werden“, fasst der Vorstandsvorsitzende zusammen. Den Erfolg dieser Bemühungen bescheinigt die Bundeswaldinventur. ForstBW hat mit 34 Kubikmetern Totholz je Hektar den zweithöchsten Totholzvorrat aller Staatswälder in Deutschland und liegt deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt in Höhe von 20,6 Kubikmetern Totholz je Hektar.

 

Zusatzinformationen:

Ein Video mit der Waldnaturschutz-Expertin Eva-Maria Speidel zu dem Thema finden Sie auf unserem Instagram Kanal

ForstBW auf Instagram: „Totholz für den Biotop- und Artenschutz Der Wald ist manchmal etwas unordentlich – und das ist auch gut so. Tote Bäume und Äste bieten…“

 

Über ForstBW

Die Anstalt öffentlichen Rechts Forst Baden-Württemberg (ForstBW) arbeitet seit dem 01.01.2020 als eigenständiges Unternehmen. ForstBW trägt die Verantwortung für die Bewirtschaftung von über 324.000 ha Staatswald - das entspricht einem Viertel der Waldfläche Baden-Württembergs- und ist damit der größte Forstbetrieb des Landes. ForstBW setzt sich zum Ziel ökologisch vorbildlich, sozial ausgewogen und ökonomisch erfolgreich zu arbeiten. Im Sinne des Waldes und der Menschen bildet das Prinzip der Nachhaltigkeit die Grundlage unserer Tätigkeit. Dazu tragen landesweit ca. 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei. Die naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftung des Staatswaldes durch Forst Baden-Württemberg AöR ist FSC® C120870 und PEFC zertifiziert. Seit dem 01. Oktober 2020 trägt ForstBW zudem das Gemeinwohl Ökonomie Zertifikat.