ThüringenForst: So wenig Chemie wie noch nie

Der vollständige Verzicht von Chemieeinsätzen im Wald findet dort Grenzen, wo die Gesundheit der Bevölkerung bedroht ist: Der Kontakt mit den Raupenhärchen des Eichenprozessionsspinners kann für Allergiker, Kinder und Senioren tödlich enden. Foto: Matthias Stürtz

2016 konnte ThüringenForst, mit 200.000 ha größter Waldbesitzer im Freistaat, die mit Pflanzenschutzmittel (PSM) behandelte Holzmenge von 48.400 (2015) auf 44.250 Festmeter reduzieren. Seit Gründung der Landesforstanstalt am 1.1.2012 ist damit die geringste jährliche Mittelausbringung überhaupt erreicht worden. Insektizide und Herbizide wurden auf gerade einmal 0,003 % der Staatswaldflächen angewendet. Ursachen dieser positiven Entwicklung sind, neben derzeit ausbleibenden Massenvermehrungen von forstlichen Schädlingen, moderne Verfahren der Schädlingsüberwachung einschließlich des Waldschutzmeldewesens, ausgereifte biotechnische Ersatzverfahren, eine zügig arbeitende Holzerntelogistik, die waldbauliche Förderung von Mischbeständen und hochqualifiziertes Forstpersonal.

Integrierter Waldschutz als Teil des naturnahen Waldbaus
„Waldbauliche, biologische und technische Vorbeugungs- und Bekämpfungsmaßnahmen haben absolute Priorität vor jeglichem Chemieeinsatz“, so Volker Gebhardt, ThüringenForst-Vorstand. Ein landesweit organisiertes Monitoring und stete Schädlingsüberwachung sind dabei Grundlage für rechtzeitige und fundierte Prognosen zu den wichtigsten forstlichen Schadorganismen. Denn auf sanfte Weise gegensteuern kann man nur, was frühzeitig als Herausforderung erkannt und den Wirtschaftern vor Ort kommuniziert wird. Dreh- und Angelpunkt ist hierbei der Waldschutzmeldedienst am Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum Gotha (FFK), der in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen feiert.

Jährlicher Witterungsverlauf ist entscheidend
Gleichzeitig warnen die im Waldschutzmeldedienst tätigen Forstexperten: Der jährliche Witterungsverlauf beeinflusst maßgeblich die Entwicklung nahezu aller forstlich relevanten Schadorganismen im Wald. Ergeben sich durch Schadereignisse wie Orkansturm oder Schneebruch ein erhöhtes Brutangebot etwa für den Borkenkäfer, so können trocken-warme Witterungsverläufe innerhalb weniger Monate zu einer Explosion der Borkenkäferzahlen führen und dann womöglich den umfangreichen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erforderlich machen.

Forstexperten warnen vor der Ausbreitung neuer Schaderreger
Auch der maßgeblich vom Menschen verursachte Klimawandel und die Globalisierung des Warenhandels fördern Auftreten und Krankheitsausmaß neuer Schaderreger im Freistaat. Dadurch sind immer komplexere Ursachen-Wirkungsmechanismen in den heimischen Waldökosystemen zu erwarten. Hierzu gehören das an über 80 % aller heimischen Eschen nachweisbare, durch einen aus Ostasien eingeschleppten Kleinpilz verursachte, Triebsterben ebenso, wie ein aus Indien stammendes Kastanienbakterium der Gattung Pseudomonas oder der Asiatische Laubholzbockkäfer, ein gefährlicher asiatischer Waldschädling.
Selbst die Gesundheit des Menschen wird von einem Schmetterling bedroht: der Kontakt mit den giftigen Raupenhärchen des Eichenprozessionsspinners, 2016 in erhöhten Dichten in Südthüringens Eichenwäldern nachgewiesen, kann für Waldbesucher, insbesondere Allergiker, Kinder und Senioren erhebliche gesundheitliche Schäden bis zu einem allergischen Schock mit schlimmstenfalls tödlichen Folgen verursachen. Seine Ausbreitung wird deshalb auch von den Gesundheitsbehörden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegengewirkt. Dies ist ein aktuelles Beispiel dafür, dass ein vollständiger Verzicht auf den Chemieeinsatz im Wald nicht nur illusorisch, sondern schlicht unverantwortlich wäre.

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