Multitalent Wald – Was kann der deutsche Wald in Zukunft leisten?

von links nach rechts: Andreas Täger, Waldbesitzervereinigung Westallgäu, Dr. Eckhard Heuer, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Dr. Peter Meyer, Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt, Dr. Helmut Born, DBV-Generalsekretär a. D. (Moderator), Dr. Denny Ohnesorge, Deutscher Holzwirtschaftsrat, Prof. Dr. Martin Guericke, Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates. Foto: DFWR, K. Kühling

Nicht nur der Wald selbst, sondern auch die Ansprüche an ihn werden weiter wachsen, so lässt sich das Ergebnis einer Podiumsdiskussion auf der Internationalen Grünen Woche am 23. Januar zusammenfassen. Die Plattform Forst & Holz und der Deutsche Bauernverband hatten im Rahmen der Grünen Woche zu einer Gesprächsrunde zum Thema „Multitalent Wald – Was kann der deutsche Wald in Zukunft leisten?“ eingeladen. Grundlage dafür waren unter anderem die Ergebnisse der jüngst veröffentlichten Bundeswaldinventur, die länderübergreifend den Zustand und die Zusammensetzung des Waldes abbildet und dabei auch Fragen zur zukünftigen Waldbewirtschaftung aufwirft.

Moderator Dr. Helmut Born, Generalsekretär a. D. des Deutschen Bauernverbandes, bat zum Auftakt alle Diskussionsteilnehmer darum, den aktuellen Zustand des Waldes mit einer Schulnote zu bewerten. Trotz unterschiedlicher Einschätzungen und Ansprüche an das „Multitalent Wald“ lagen die vergebenen Noten (Schulnoten) in einem relativ engen Spektrum. Der Wald entpuppte sich mit Noten von zwei bis drei - mit deutlicher Tendenz zur zwei - als durchaus guter „Kandidat“.

DFWR-Präsident Georg Schirmbeck zeigte sich mit dem aktuellen Waldzustand grundsätzlich sehr zufrieden. Die Waldfläche sei gestiegen, der Holzvorrat habe zugenommen, die Qualität des Waldes habe sich verbessert, der Wald sei vielfältiger geworden und die Totholzmenge habe ebenfalls zugenommen. Die Waldbesitzer und Förster hätten in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet, was die Ergebnisse der Bundeswaldinventur zeigen würden. „Mir fehlt aber seitens der Gesellschaft eine entsprechende Anerkennung dieser auch für das Gemeinwohl bedeutsamen Leistungen. Naturschutz im Wald ist wichtig, das ist unbestritten. Bevor der Staat jedoch ordnungspolitisch eingreift, sollten verstärkt Anreizsysteme entwickelt und angewendet werden, die eine effiziente Leistungserbringung ermöglichen“, so Schirmbeck. Mit Nachdruck wies der DFWR-Präsident darauf hin, dass im Bereich der Holzforschung auch die öffentliche Hand gefragt sei. Bei den vorhandenen Unternehmensstrukturen sei es nicht möglich, dass die erforderliche Forschungsaktivität alleine von den Betrieben der Forst- und Holzbranche betrieben werden könne.

Prof. Dr. Martin Guericke von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde lobte die Bundeswaldinventur als weltweit einmalige Datengrundlage. Die Erhöhung des Laubholzanteils in den deutschen Wäldern sei forstpolitisch gewollt und waldbaulich auf den entsprechenden Standorten auch sinnvoll. Wenn diese Waldumbauprogramme konsequent umgesetzt würden, dann müsse sich die Holzindustrie darauf einstellen, dass mehr Laubholz auf den Markt gelangt. Forstwirtschaft sei eine Langfristproduktion; heutige waldbauliche Entscheidungen seien für die nächsten 150 Jahre relevant und könnten nicht so leicht wieder umgekehrt werden. Für den Waldumbau sei jedoch wichtig, dass eine Baumartenmischung angestrebt werde. Ein Übergang von einem Extrem in ein anderes sei nicht sinnvoll. Der Klimawandel sei existent, könne aber nicht exakt prognostiziert werden. Somit sei jeder Waldbesitzer gut beraten, sein Betriebsrisiko zu streuen, indem er auf produktive und stabile Mischwälder setzt.

Dr. Denny Ohnesorge, Geschäftsführer des Deutschen Holzwirtschaftsrates, verdeutlichte, dass die Gesellschaft Holzprodukte nachfrage, die aktuell mehrheitlich aus Nadelholz hergestellt werden. Solle die Holzindustrie diese Produkte weiterhin in Deutschland produzieren, müssten auch in Zukunft entsprechende Nadelholzmengen aus deutschen Wäldern verfügbar sein. Ohnesorges Fazit aus den Ergebnissen der Bundeswaldinventur: „Aus unserer Sicht ist der deutsche Wald zu alt, zu dick und hat in Teilen einen zu hohen Laubholzanteil“. Laubholz sei in der Regel anspruchsvoller in der Verarbeitung und nicht für alle Verwendungsbereiche des Nadelholzes geeignet. Dadurch entstünden oft höhere Produktionskosten, die bei entsprechend hochwertigen Produkten an den Kunden weitergegeben werden könnten. Im Baubereich konkurriere das Laubholz mit Massenprodukten, die aus Nadelholz günstiger produziert werden könnten. Die Herausforderung bestünde aktuell und in Zukunft darin, marktfähige und für den Konsumenten bezahlbare Laubholzprodukte zu entwickeln. Daran arbeite und forsche die Industrie und habe in den letzten Jahren in der innovativen Laubholzverwendung durchaus Erfolge erzielt, die optimistisch stimmen. Zu nennen sei hier beispielsweise das Furnierschichtholz aus Buche für konstruktive Zwecke.

Dr. Peter Meyer von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt betonte in seinem Einstiegsstatement, dass der Naturschutz ein wichtiger Bestandteil der Forstwirtschaft sei. Das umfassende Verständnis einer multifunktionalen Forstwirtschaft bedeute, dass auch ungenutzte Flächen ausgewiesen werden müssten, in denen der Naturschutz Vorrang gegenüber anderen Waldfunktionen habe. Mit Blick auf die Zunahme des Laubholzanteils zeigte Meyer Verständnis für die Sorgen der holzverarbeitenden Betriebe und der Forstwirtschaft, da bisher nicht absehbar sei, dass ein geringeres Nadelholzangebot durch Laubholz ausgeglichen werden könne. Allerdings sei die Innovationsfähigkeit der Holzindustrie nicht zu unterschätzen. Bisher seien stets Produkte aus einem bestimmten Sortiment Holz entwickelt worden, sobald dieses in entsprechender Quantität und Qualität auf den Markt gelangt sei. So könne es auch in Zukunft gelingen, zu akzeptablen Preisen konkurrenzfähige Produkte aus Laubholz herzustellen.

„Wald und Klimaschutz sind enge Verbündete“, so Dr. Eckhard Heuer vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Die energetische Nutzung und stoffliche Verwendung von Holz verstärken die Kohlenstoffbindung des Waldes in einem erheblichen Umfang. Die nachhaltige Nutzung des Waldes sei insofern entscheidend für den überaus positiven Beitrag der Forstwirtschaft zur Treibhausgasbilanz und zum Klimaschutz. Stilllegungen größeren Ausmaßes würden diese gute Bilanz nachweislich verschlechtern. Mit Blick auf das Laubholz wies Heuer darauf hin, dass der deutsche Verbraucher sehr kostenbewusst sei. Es müsse gelingen, bezahlbare Produkte aus Laubholz für den Massenmarkt herzustellen.

Andreas Täger von der Waldbesitzervereinigung Westallgäu machte deutlich, dass hinter jedem Hektar Wald auch Waldbesitzer stehen würden. Gesetzliche Regelungen dürften nicht dazu führen, dass den Waldbesitzern eine bestimmte Art der Waldbewirtschaftung aufgezwungen wird. Zudem müssen das Eigentum und die freie Verfügbarkeit darüber im Rahmen einer nachhaltigen, generationenübergreifenden Familienforstwirtschaft geschützt bleiben. Von der Holzindustrie wünschte sich Täger, dass Verarbeitungskapazitäten geschaffen werden, die es den Waldbesitzern ermöglichen, auch in Zukunft schwaches wie starkes Holz zu gleich guten Preisen abzusetzen. Entsprechende regionale Ansätze in Südbayern seien vielversprechend. Nur bei gegenseitiger Unterstützung könnten Waldbesitzer und Holzverarbeiter gemeinsame Erfolge erzielen, die für die Wettbewerbsfähigkeit des Cluster Forst und Holz bedeutend seien.

Unter dem Strich zeigte die Podiumsdiskussion, dass die Sorgen um die Leistungsfähigkeit des deutschen Waldes mit seinen vielfältigen Funktionen wenig begründet erscheinen. Die Hauptherausforderungen für die Forst- und Holzwirtschaft liegen in der gesellschaftlichen Akzeptanz, in der nachhaltigen Bereitstellung des nachwachsenden Rohstoffes Holz und in der Gestalt möglicher Auswirkungen des Klimawandels und anderer Umwelteinflüsse. 

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