Harzer Hefejagd im Auftrag des Bieres

Forschungsprojekt sucht in den Landesforsten nach Urhefen zur Bierbrauerei

 

(Clausthal) Es ist eine außergewöhnliche Jagd, auf die sich Professor Dr. Frank Endres im Niedersächsischen Forstamt Clausthal begibt. Bewaffnet mit Pinzette, Wattestäbchen und Plastiktüten hat es der Leiter der Forschungsbrauerei der Technischen Universität Clausthal auf alte Eichen, Eschen, Hainbuchen und Ulmen abgesehen. In der Rinde der Bäume hofft der Chemiker verschiedenste Hefepilze zur Bierherstellung zu finden. Förster Sören Schönhals von den Niedersächsischen Landesforsten hütet seine alten Bäume sorgfältig. Werden seine Eichen aus Napoleons Zeiten zu Rettern des Bieres oder reifen in Harzer Eichenfässern weiterhin französische Rotweine?

 

Von der Brauerei und endlicher Hefe

 

Vorausschauende Vorsicht treibt das sogenannte „Hefejagd-Projekt“ an, das an der Technischen Universität München unter der Betreuung von Privatdozent Dr. Mathias Hutzler seinen Ursprung hat. Denn die meisten untergärigen Biere in Deutschland werden neben Wasser, Hopfen und Gerste mit einer einzigen, speziellen Hefe hergestellt. Diese weist für den gesamten Brauprozess von beispielsweise Pils, Hellem, Export und Schwarzbier bestmögliche Eigenschaften auf. In Eisbanken tiefgefrorene Vorräte dieser Hefe genügen zwar noch für einige Jahre. Jedoch könnte durch die Reinhaltung der Zucht die Vermehrungsfähigkeit des Pilzes abnehmen. In Folge wäre ein Aussterben des Pilzes möglich. Das Phänomen ist in der mit veredelnden Pilzen arbeitenden Lebensmittelindustrie kein Einzelfall: Das gleiche Schicksal erschwert heute schon die Herstellung von Camembert-Käse.

 

Damit die deutschen Biere davon verschont bleiben, arbeitet Endres nun also seinen Münchener Kollegen zu. Vor dem Reviergang hat ihn Dr. Martin Zarnkow, Abteilungsleiter Technologie und Entwicklung am Forschungszentrum für Brau- und Lebensmittelqualität der TU München und Lehrbeauftragter für das Brauwesen an der TU Clausthal, gut vorbereitet. Zusammen mit seiner Doktorandin Birgit Fritzsche und Carsten Pfeil von der Brauakademie Zellerfeld pirscht Endres durch den Wald. Ortskundige Hilfe erhält er dabei von Sören Schönhals, dem Revierleiter der Försterei Hahnenklee. Der Förster weiß ganz genau, wo in seinem Revier die für die Wissenschaftler besonders interessanten, alten Eichen stehen. Schönhals führt das Forschungsteam deshalb in die Forstorte Krähenholz bei Vienenburg und Mottenberg bei Immenrode. Mit einem desinfizierten Schäleisen unterstützt der Forstmann bei der Probennahme. Vorsichtig trennt er kleine Rindenstücke ab, die die Forscher mit einer Pinzette in Plastiktüten verpacken. Hier und da legt der Förster ein Stück des Basts frei, in dem die Bäume ihre Nährstoffe zwischen Krone und Wurzeln transportieren. Mit Wattestäbchen nimmt Endres Abstriche von diesen Stellen. „Den Bäumen schaden diese kleinen Wunden nicht, die schließen sich bald wieder“, weiß Schönhals. Zuletzt sammelt Endres noch ein paar Löffel Waldboden in der Nähe der beprobten Bäume. Auch darin lassen sich oft Hefepilze finden. Schon am nächsten Tag wird ein Kurier die Proben zur Untersuchung ins Labor in Weihenstephan bringen. Dort kultivieren die Wissenschaftler der TU München die Pilze aus den Harzer Proben und analysieren sie anschließend genetisch. Dabei handelt es sich um die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Denn von den vielen Tausend Hefearten eignen sich längst nicht alle zur Brauerei.

 

Ein Volltreffer bei der Suche wäre der Pilz Saccharomyces eubayanus, der zusammen mit Saccharomyces cerevisiae die Eltern-Hefe der heutigen, untergärigen Hefe darstellt. Aus ihnen, so hoffen die Forscher, könnte der aktuell zum Brauen verwendete, bekannte Stamm neu gezüchtet werden. Als Beifang entdeckten die Münchener bereits andere Hefen mit interessanten Aromen und zur Herstellung alkoholfreier Biere. Auch diese sind zur Entwicklung neuer Sorten willkommen.

 

Erstmalige Beprobung im Harz

 

Die Hefejagd führte Prof. Dr. Endres‘ bayrischen Kollegen bereits quer durch Deutschland, in fast vergessene Bierkeller und sogar bis nach Georgien. Der Harz war bisher jedoch ein weißer Fleck auf der Hefe-Karte. „Wir selber mit unserer kleinen Forschungsbrauerei an der TU Clausthal sind sehr froh, dass wir bei einem so spannenden Projekt als Juniorpartner dabei sein dürfen“, freut sich Endres. Das Hefe-Jagdfieber hat auch ihn gepackt. Mit der Probennahme möchte er im Forstamt Clausthal aktiv bleiben. Er hofft, dort an noch älteren Eichen weitere spannende Hefen finden zu können. „Aber das nächste Mal besprühe ich mich vorher ausreichend mit Mückenspray“, meint der Forscher. Während das Ergebnis der Hefe-Jagd noch aussteht, waren die stechenden Plagegeister bei Endres, Schönhals und den weiteren Helfern bei der Probennahme bereits erfolgreich - ein Opfer für die Wissenschaft.

 

Dass Eichen im Harz nicht aussterben, dafür haben Forstleute vorgesorgt. Noch manche Jahrhundert–Eiche hält Revierförster Schönhals in der Hinterhand. Und bei den jüngsten Neuaufforstung sind Millionen neuer Eichen in das Mittelgebirge gekommen. Geht’s nach den Landesforsten, muss das Bier in Deutschland nicht knapp werden.

 

Das Niedersächsische Forstamt Clausthal liegt im Nordharz im Bereich des Städtedreiecks Goslar – Clausthal-Zellerfeld – Bad-Harzburg. Im Harzvorland liegen die größeren von Laubwald geprägten Forstorte Harly, Schimmerwald und Heinisches Bruch. Das Forstamt bewirtschaftet rund 13.500 Hektar Landeswald und betreut zusätzlich zwei Betreuungsforste mit einer Fläche von 479 Hektar.