Forstwissenschaftler stellen Veröffentlichung des Bundesamtes für Naturschutz zu Invasivitätsbewertung nicht heimischer Baumarten in Frage

Douglasien-Buchenwald. Foto: Marcus Kühling/DFV

In einem offenen Brief an die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Prof. Dr. Beate Jessel, haben kürzlich 21 renommierte deutsche Forstwissenschaftler und Waldökologen ihre Bedenken gegenüber den Veröffentlichungen zu Invasivitätsbewertungen dargelegt. Sie sehen gravierende fachliche Mängel in dem Gutachten des Bundesamtes und stellen die Objektivität der getroffenen Aussagen gerade in Hinblick auf die Handlungsoptionen der Baumartenwahl vor dem Hintergrund des Klimawandels in Frage. „Es zeigt sich, dass durch undifferenzierte Betrachtungen und voreilige Schlüsse von vermeintlichen Experten leichtfertig Handlungsoptionen zur Milderung der Auswirkungen des Klimawandels verspielt werden können“, sagt Carsten Wilke, Präsident des Deutschen Forstvereins. „Es ist mir schleierhaft, warum die Autoren des Bundesamtes für Naturschutz nicht die vorhandene forstfachliche Expertise eingeholt haben.“

In den BfN-Skripten 352 und 340 zur „Naturschutzfachliche Invasivitätsbewertungen für in Deutschland wild lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen“ und deren Methodik werden 38 der 430 gebietsfremden Gefäßpflanzen in Deutschland als „invasive Arten“, d.h. Arten, deren Vorkommen außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets für die dort natürlich vorkommenden Arten ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellen, bezeichnet. Auch forstlich relevante Baumarten wie die Roteiche oder Douglasie werden auf eine sogenannte „Schwarze Liste“ zur Invasivität gestellt. Diese trockenheitstoleranten Baumarten spielen jedoch eine entscheidende Rolle zum notwendigen Aufbau stabiler Waldbestände vor dem Hintergrund des Klimawandels. Diese Option ist durch ein mögliches Verbot solcher nicht heimischer Baumarten gefährdet. Denn im Gegensatz zur Landwirtschaft, wo nahezu jährlich mit neueingebrachtes Saatgut auf Klimaveränderungen reagiert werden kann, ist ein schneller Austausch der Baumarten im langfristigen Ökosystem Wald nicht möglich.

Die Wissenschaftler, die im Deutschen Verband Forstlicher Forschungsanstalten (DVFFA) organisiert sind, begrüßen durchaus das Instrument einer Bewertung gebietsfremder Arten in Hinblick auf die Auswirkungen auf die heimische Artenvielfalt und umweltgerechten Landnutzung. Allerdings werden die vorliegenden BfN-Gutachten wissenschaftlich fundierten und objektiven Maßstäben nicht gerecht. Die Forstwissenschaftler sehen große Mängel insbesondere in der unterschiedlichen Definition von invasiven Arten nach den gesetzlichen Bestimmungen und dem Einstufungsverfahren des BfN. Die nicht nachvollziehbare Auswahl von Schadensindikatoren und die fehlende ökosystemare Betrachtungsweise sind zu kritisieren. Zudem wurden ausbreitungsbiologischer Eigenschaften der Baumarten nur unzureichend berücksichtigt. Ein besonderes Versäumnis ist nach Meinung der Forstwissenschaftler auch die fragwürdige Absicherung der Arteinstufung durch nicht näher beschriebenes „Expertenwissen“ und die einseitige und nicht sachgerechte Berücksichtigung der vorhandenen Fachliteratur. Wenig zielführende Verallgemeinerung lokaler Biodiversitätsgefährdung und einseitige Betrachtung der Wirkung von gebietsfremden Arten auf die Artenvielfalt, lassen an einer objektiven Ausrichtung der Studie erheblich zweifeln.

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forstwirtschaftsrat werden die Forstwissenschaftler und Waldökologen in Kürze ein ausführliches fachliches Gutachten zur Invasivität der in Deutschland vorkommenden nicht heimischen Baumarten vorstellen. „Wir begrüßen ausdrücklich diese Stellungnahme der Wissenschaftler in Hinblick auf eine Versachlichung der Diskussion über die Einbringung nicht heimische Baumarten vor dem Hintergrund des Klimawandels“, sagt Wilke.

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